05. RWE-Emden

FC Rot-Weiß Erfurt - BSV Kickers Emden 1:0

Drittes Heimspiel, dritter Sieg: Das Steigerwaldstadion wird langsam zur uneinnehmbaren Festung. Auch der bislang auswärts ungeschlagene Aufsteiger aus Emden musste das feststellen. Und der Erfolg des FC Rot-Weiß trägt einen Namen: Björn Brunnemann. Manche Dinge sind nicht erklärbar. Im Leben. Und beim Fußball. Da spielt ein junger Mann namens Björn Brunnemann zwei Jahre in Cottbus, bringt es immerhin auf 31 Einsätze in der zweiten Bundesliga. Und er fühlt sich wohl in der Lausitz, obwohl ihm in dieser Zeit kein einziges Tor gelungen war.




 

Das war wohl auch der Grund, weshalb Energie den Vertrag des gelernten Stürmers in der Sommerpause nicht verlängert hatte. Sehr zum Ärger des 25-Jährigen, der gern geblieben wäre, um sich den Traum von der 1. Bundesliga zu erfüllen. Aber auch zum Glück für Rot-Weiß. Denn die Verpflichtung Brunnemanns erweist sich bereits jetzt als Volltreffer. Erst ebnete er seiner Elf den Weg zum 2:0-Sieg über die HSV-Reserve, dann schießt der Blondschopf die Erfurter gegen Ahlen in die zweite DFB-Pokalrunde. Und jetzt sorgt er mit seinem Tor in der Nachspielzeit für die Fortsetzung der rot-weißen Siegesserie im eigenen Stadion.

Sechs Pflichtspiele - drei Treffer. Eine beeindruckende Quote für einen, den sie früher schon einmal Chancentod nannten.

"Vielleicht kommt jetzt meine Zeit als Torjäger", sagt Brunnemann nach dem Schlusspfiff. Das schelmische Lächeln verrät: So richtig kann er selbst nicht daran glauben. Doch der Moment des Glücks fühlt sich verdammt gut an. Man könnte sich daran gewöhnen, Matchwinner zu sein.



 

Emden dagegen hofft, solch ein Trauma nicht allzu oft zu erleben. 91 Minuten lang hatte der Aufsteiger, der bis dato auswärts unbezwungen und sogar ohne Gegentreffer geblieben war, um den einen Punkt gekämpft. Die antiquierte Spielweise mit tief stehendem Libero und zwei echten Manndeckern ging bis in die Nachspielzeit hinein auf. Dann ließen sich die Ostfriesen jedoch austricksen. Anstatt einen 30-m-Freistoß direkt auszuführen, bediente Henry Onwuzuruike den sich konsequent durchsetzenden Alexander Schnetzler, der wiederum zu Brunnemann "durch- steckte". Und der Mann für die wichtigen Rot-Weiß-Tore schoss unhaltbar ins obere Eck.

Es folgte überschäumender Jubel und - der Abpfiff.

"Jetzt kann ich in etwa nachvollziehen, wie sich die Bayern damals gegen ManU gefühlt haben müssen", meint Gäste-Trainer Marc Fascher hinterher. Der Ex-Erfurter Oliver Glöden, bei den Kickers sogar Kapitän, war ebenso tief enttäuscht: "Solche Niederlagen tun besonders weh, weil man sich nicht mehr wehren kann." Dass er als einstiges Mitglied des Aufstiegsteams von den Rot-Weiß-Zuschauern unverständlicherweise ausgepfiffen wurde, nahm der 2,03-m-Riese gelassen: "Ich bin´s gewöhnt. Die haben ja schon gepfiffen, als ich noch hier war."



 

Mehr ärgerte er sich über das "dumme Verhalten" in der entscheidenden Szene. Einige seiner Teamkollegen wurmte es so sehr, dass sie sich nach dem Abpfiff noch auf dem Spielfeld zu einer Rangelei mit feiernden Erfurtern hinreißen ließen. Pavel Dochev, der sofort schlichtete und die Gemüter beruhigte, hatte Verständnis dafür, "weil es sehr schmerzt, wenn man so verliert".

Am Verdienst des Sieges gab es für den Rot-Weiß-Trainer allerdings keinen Zweifel. Seine Elf besaß deutlich mehr Spielanteile, investierte mehr als der Kontrahent, der wenig Konstruktives im Vorwärtsgang bot, und hatte mehrere klare Chancen. So hätte allein der trotz einer Zehenstauchung sehr bewegliche Pavel David in der ersten Halbzeit für die Führung sorgen müssen. Drei Mal fehlte ihm jedoch die letzte Konsequenz im Abschluss (14./18./29.). Und später parierte Emdens Keeper Hoffmeister noch seinen 25-m-Freistoß (54.).



 

Ansonsten gab es wenig Aufregendes. Die Gastgeber, bei denen Rico Kühne den verletzten Justus Six (Zerrung) glänzend vertrat, taten sich schwer gegen die defensiv eingestellten Norddeutschen. Viele Unterbrechungen und Fehlpässe prägten das Bild über weite Strecken. Allein Onwuzuruikes Soli hatten Unterhaltungswert. Sie waren aber oft nur für die Galerie. Effektives sprang dabei selten heraus. Und da die Erfurter mit ihren zahlreichen Standards Schindluder trieben, weder ein Dutzend Eckbälle noch reihenweise Freistöße in Strafraumnähe für Gefahr sorgten, deutete frühzeitig alles auf ein torloses Remis hin.

"Ich habe immer noch auf eine letzte Chance gehofft", sagte Do- chev später und sah sein Team am Ende "für die tolle Moral belohnt". Da störte es ihn natürlich wenig, dass die Freistoßvariante kurz vor Ultimo "so nicht abgesprochen" war. Eigentlich sollte Matthias Holst den letzten Schuss abgeben, doch seine Akteure hörten nicht auf den Trainer. Und das war gut so.



 

Matchwinner Brunnemann jedenfalls fand, "nachdem ich die Augen zugemacht und einfach draufgehalten habe", sofort den Weg zur Ersatzbank. Dort empfing ihn Co-Trainer Heiko Nowak mit offenen Armen, ehe sich ein Freudenknäuel bildete. Mittendrin auch Ronny Hebestreit. Der Kapitän war nach gut einer halben Stunde mit einer Hüftprellung vom Platz gehumpelt, dürfte jedoch am Samstag beim Auswärtsspiel in Lübeck wieder einsatzfähig sein. Und Richtung Norden gingen auch schon die Gedanken von Coach Dochev: "Die sind nicht stärker als Ahlen", sieht er beim Aufstiegsfavoriten durchaus Chancen auf einen Punktgewinn. Denn die Bilanz in der Fremde mit zwei Niederlagen ist ausbaufähig. Sogar auf ein Tor wartet man noch.

Aber dafür gibt es ja mittlerweile einen neuen Hoffnungsträger.



 

Trainerstimmen

Pavel Dotchev (FC Rot-Weiß Erfurt): "Es war ein glücklicher und verdienter Sieg. Wir hatten die klaren Chancen. Für die Moral war der Erfolg sehr wichtig. Wir wussten, dass es ein sehr schweres Spiel gegen so eine Mannschaft zu gewinnen. Die Standards wurden aber zu lasch ausgespielt. Wir haben da auch teilweise zu pomadig gespielt."

Fascher (BSV Kickers Emden): "Wenn man in der 90. Minute so verliert, ist man natürlich sehr enttäuscht und verbittert. RWE hatte natürlich die besseren Chancen. Wir haben aber gut gekämpft. Bei dem Gegentor haben wir den Ball nicht aus der Gefahrenzone bekommen."



 

Statistik

Rot-Weiß Erfurt: Ratajczak, Schnetzler, Holst, Bertram, Kühne, Brunnemann, Pätz, Gruev (60. Anicic), Onwuzuruike, Hebestreit (35. Fischer), David

BSV Kickers: Hoffmeister, Gundelach, Spahic, Neunaber, Wilking, Nägelein, Ewert, Glöden, Siedschlag (90. Grotlüschen), van Buskirk (87. Gröger), Grgic

Tor: 1:0 Brunnemann (90.)

Gelbe Karten: Schnetzler, Anicic / Grgic, Neunaber, Glöden, Siedschlag

Schiedsrichter: Mark Borsch (Mönchengladbach)

Zuschauer: 3.009


Pokal-RWE-Ahlen
06. Lübeck-RWE