19. Neunkirchen-RWE

Borussia Neunkirchen-FC Rot-Weiß-Erfurt 2:2

Wer sich am Samstag nur etwas verspätete, wähnte sich im falschen Film. Bereits nach fünf Minuten führte das abgeschlagene Schlusslicht Neunkirchen gegen den selbst ernannten Aufstiegsaspiranten Erfurt mit 2:0. Nur 60 Sekunden später hätte sogar das 3:0 fallen müssen, als Flausse völlig freistehend am toll reagierenden Rene Twardzik im Erfurter Kasten scheiterte.

Zuvor war der Torhüter zwei Mal machtlos gewesen. Beim 0:1 blieb das Leder im Strafraum liegen, nachdem Danny Bach den Schuss von Türker abgeblockt hatte. Kriegshäuser erfasste am schnellsten die Situation und beförderte den Ball ins Netz. Nur Sekunden später verlor Torsten Ziegner im Vorwärtsgang das Spielobjekt. Per Konter hebelten die Gastgeber die Rot-Weiß-Deckung auseinander. Flausse traf zum überraschenden 2:0.

Fußball verkehrt im Ellenfeld-Stadion. Vor allem die Erfurter lieferten Stoff, aus dem nicht unbedingt Träume sind. Doch keiner der Zuschauer bereute trotz des letztlichen Unentschiedens den Kauf seiner Eintrittskarte. Einen besseren Spannungsbogen hätte nämlich auch Alfred Hitchcock in einem Krimi nicht finden können. Fortan entwickelte sich in Neunkirchen ein spannendes Match, das alles zu bieten hatte: zunächst das schnelle 1:2 nach einer Ecke des eine Stunde lang auffälligen Branko Okic. Im Duell mit Norman Loose war Flausse als Letzter am Ball und traf ins eigene Netz.

Es folgte ein Sturmlauf der nun erwachten Erfurter. Okic (14./15.) und Henri Fuchs (17.), der freistehend neben das Tor köpfte, vergaben gute Gelegenheiten. Auch bei Ziegners 18-m-Flachschuss fehlten nur Zentimeter (39.). Als dann nach der Pause der Bann gebrochen schien - Torsten Raspe hatte eingeköpft (49.) - erkannte Schiedsrichter Lange den Treffer wegen einer Abseitsstellung des nicht beteiligten Ronny Hebestreit nicht an. Wenig später luchste dieser Golombek den Ball ab. Freistehend vor Purket ließ sich Fuchs diese Möglichkeit nicht entgehen. Obwohl der starke Twardzik auf der Gegenseite mit mehreren Klasse-Paraden aufwarten musste, besaßen die Rot-Weißen durch Bach die große Chance eine Partie, die verkorkst begonnen hatte, doch noch zu gewinnen. Aber der Verteidiger scheiterte mit einem von Golombek an Enis Dzihic verwirkten Foulelfmeter an Purket (79.).

Es passte zu diesem Thriller, dass der Referee vier Minuten vor dem Ende plötzlich abpfiff und dafür von den Fans keinen Beifall erntete. Sie hatten ja auch voll bezahlt. Und die Erfurter beschwerten sich zu Recht noch im Kabinengang für die "geklaute" Zeit, denn Moral bewiesen sie - trotz aller spielerischer Defizite.

Während Neunkirchens Trainer Jörg Nehren resümierte, dass seine Feierabend-Kicker "so eine gute Leistung nicht so schnell wieder erreichen können", haderte Rot-Weiß-Coach Michael Feichtenbeiner mit dem Start seiner Aktiven. "Das war fatal." Wie in jedem guten Film wäre leider das Happyend ausgeblieben. Vielleicht hätte ein 3:2 jedoch auch die krassen Fehler im Defensivverhalten verschleiert. Denn einer der Hauptdarsteller des Krimis im Saarland war mit Twardzik der eigene Torhüter.

Und der Gegner war kein Aufstiegsanwärter à la Regensburg oder Unterhaching, sondern eine Mannschaft, die den Abstieg aus der Regionalliga trotz allen Engagements und ganz ordentlicher Heimauftritte sicher nicht mehr verhindern kann.



Stimmen zum Spiel

RWE-Trainer Feichtenbeiner: "Wir waren die ersten fünf Minuten nicht auf dem Platz. Dennoch haben wir später die Möglichkeiten gehabt, hier zu gewinnen. Das Spiel hat gezeigt, dass wir noch viel arbeiten müssen. Zu Hause sind wir eine Spitzenmannschaft, auswärts müssen wir noch sicherer agieren."

Bach (Erfurt): "Ich bin untröstlich, dass ich die Elfmeterchance nicht genutzt habe. Wir haben Neukirchen zu Beginn nicht in den Griff bekommen und müssen jetzt unserem Torhüter dankbar sein, dass wir hier nicht verloren haben.."

Trainer Nehren (Neunkirchen): "Hut ab vor der Leistung meiner Elf. Mit unseren Bedingungen ist die Leistung meiner Elf gegen eine solche Regionalliga-Spitzenmannschaft nicht wiederholbar. Ich bin stolz, dass meine Spieler diesen Punkt geholt haben."



Interview mit Norman Loose

Glückwunsch zum ersten Tor in der laufenden Saison. . .

Den kann ich leider nicht annehmen. Ich habe den Ball zwar mit dem Knie erwischt, doch der Neunkirchener hat die Flugbahn noch entscheidend beeinflusst. Es war eher ein Eigentor.

So ehrlich ist nicht jeder.


Naja. Wichtig war doch, dass der Ball drin war.

Haben Sie es schon einmal erlebt, nach fünf Minuten mit 0:2 zurückzuliegen?

Ich kann mich nicht daran erinnern. Viel schlimmer kann ein Spiel ja auch nicht losgehen.

Wie kann ein Auftakt nur derart verschlafen werden?

Das erste Tor, aus dem Gewühl heraus, kann immer mal passieren. Doch danach waren wir einige Zeit völlig von der Rolle.

Wurde der abgeschlagene Tabellenletzte unterschätzt?

Zu leicht genommen haben wir Neunkirchen sicher nicht. Wir waren ja gewarnt durch die Ergebnisse von Saarbrücken und Regensburg. Und nach der Anfangsphase lief es ja auch nicht schlecht. Chancen hatten wir genügend, um noch zu gewinnen.

Die größte Möglichkeit vergab Danny Bach per Elfmeter. Musste er getröstet werden?

Natürlich war er mächtig angefressen. Doch das Unentschieden auf den verschossenen Elfer zu schieben, wäre Unfug. Das hätten wir anders lösen müssen.

Das Warten auf den zweiten Sieg in der Fremde geht weiter. Welche Ursache gibt es für die Diskrepanz zwischen den Auftritten zu Hause und auswärts?

Wenn ich das wüsste. . . Mich erinnert diese Saison an die von vor drei Jahren, als wir zu Hause immer gewonnen und auswärts kaum etwas gerissen haben.

Am Ende schaffte das Team die Regionalliga-Qualifikation.

Vielleicht gibt es auch diesmal ein Happyend. . . Aber um Zweiter zu werden, reicht unsere Auswärts-Ausbeute natürlich nicht.

Auch die Anzahl der Gegentreffer stimmt bedenklich.

Natürlich sind es zu viele. Es ausschließlich auf die Abwehr zu schieben, finde ich jedoch nicht fair. Das Deckungsverhalten fängt vorn an. Und uns fehlt momentan auch etwas Glück.

Diese Schwäche mit Pech zu erklären, ist wohl zu einfach.

Es ist aber so, dass der Gegner fast jede gute Chance reinmacht. Doch wir verlieren auch zu viele Bälle durch Fehler im Spielaufbau und sehen dann hinten alt aus. Das müssen wir abstellen.

Gespräch: Marco ALLES




 

Angemerkt: Niederlage

Das Saarland wirbt in der Tourismus-Branche mit seinem grenzenlosen Charme sowie seiner wechselvollen Geschichte.

Drei Mal bereisten die Erfurter in den letzten drei Monaten das kleinste Bundesland. Und unterschiedlicher hätten ihre Erlebnisse dabei nicht sein können: Dem unerwarteten Erfolg von Saarbrücken folgten die ebenso überraschende Blamage von Elversberg und nun die Pleite von Neunkirchen. Ein Unentschieden, das einer Niederlage gleichkommt.

Ohne Wenn und Aber.

Nicht nur der Rückstand auf die Aufstiegsplätze wuchs wieder auf fünf Zähler an. Der Auftritt in der alten Hüttenstadt wirft vor allem die Frage auf: Wenn nicht dort, wo will das Erfurter Team denn gewinnen? Ein einziger Auswärtssieg pro Halbserie wird mit Sicherheit nicht zum Aufstieg reichen.

In zwei Wochen hat die Mannschaft die letzte Chance, in diesem Kalenderjahr ihre Bilanz in der Fremde aufzubessern. Beim Vorletzten in Schweinfurt könnte sie zum Rückrunden-Auftakt das Signal für eine Wende im neuen Jahr setzen.

Verbunden mit dem kleinen Trost: Ins Saarland müssen die Rot-Weißen in dieser Saison nicht mehr reisen.

Marco ALLES



Statistik

Tore: 1:0 Kriegshäuser (4.), 2:0 Flausse (5.), 2:1 Loose (8.), 2:2 Fuchs (50.)

Bor. Neunkirchen: Purket - Backmann - Schmit, Golombek - Kriegshäuser, Eiden, Rein, Kulas (56. Avakhti) - Bucher (61. Scholze) - Türker, Flausse

FC Rot-Weiß Erfurt: Twardzik - Bach - Gansauge, Loose - Strässer (69. Dzihic), Ziegner, Raspe, Hornung - Okic - Hebestreit, Fuchs

Zuschauer: 600



18. Aalen-RWE
20. Schweinfurt-RWE