02. RWE-RWO

FC Rot-Weiß Erfurt - Rot-Weiß Oberhausen

Der Sieger, so es denn gestern einen gegeben hätte, hätte auf jeden Fall Rot-Weiß gehießen. Im Duell der beiden namensgleichen Erfurter und Oberhausener Vereine mussten eigentlich die Thüringer triumphieren. Sie hatten die besseren Torchancen, gaben kämpferisch alles - und doch reichte es gegen das im Vorjahr auswärtsstärkste Team der Liga nur zum 1:1.




 

Wuchtiger Kopfball von Ronny Hebestreit.

"Danke an den Schiedsrichter, dass er uns zwei Punkte weggenommen hat", nahm Ronny Hebestreit später kein Blatt vor den Mund. Der 29-Jährige meinte da die Szene in der 61. Minute, als Oberhausens Chiquino im Erfurter Strafraum bei einem Allerweltsduell gegen David Fall stürzte und Schiedsrichter Wack zum Entsetzen der 16 287 Zuschauer und der Spieler sofort auf den Punkt zeigte. Erfurts bis dato beschäftigungsloser Rene? Twardzik hatte gegen den Schuss von Aliaj direkt in die Mitte des Tores keine Chance.




 

16.287 Rot-Weiß Fans zum Heimspielauftakt.

"Das war bitter. Wieso der in dieser Szene Strafstoß gab, weiß nur er allein", griff sich der Torhüter nach dem Spiel ratlos an den Kopf. Auch in der ersten Halbzeit haderte nicht nur Twardzik einmal mit dem Referee, als sich der Tscheche bei einer Rückgabe auf den Ball hechtete und Wack am Fünfmeterraum auf indirekten Freistoß entschied. Die Ablage knallte Keidel an den Querbalken (33.). "Eine Sensation, diese beiden Entscheidungen", meinte Erfurts Trainer René Müller später.




 

Rudolf Zedi (rechts) vergab hier aussichtsreich die Führung der Gastgeber.

Es blieb sein einziger Unmut über die Zweitliga-Heimpremiere seiner Spieler, die den besseren Spielanteilen des Gegners enormen Kampfgeist entgegensetzten und nach einer halben Stunde selbst die Führung besorgten. Einen der bekannt weiten Einwürfe Rudolf Zedis verlängerte Oliver Glöden per Kopf auf Hebestreit, der flach einschoss. Es war sein 100. Treffer für die Rot-Weißen.
Erfurt spielte taktisch sehr klug und wie von Müller vorgegeben. "Wir hatten kaum Räume", lobte Oberhausens Coach Jörn Andersen nach dem Spiel den Aufsteiger. Nur im Abschluss sündigten die Thüringer mit ihren Möglichkeiten, vor allem stand aber mit Adler auch ein Klassemann im Kasten der Gäste.




 

Oliver Glöden setzt sich hier gegen Thomas Chichon und David Montero durch.

Der 27-Jährige, der 193 Zweitligaspiele auf seinem Buckel hat, ließ Erfurts Spieler schier verzweifeln. Beim Solosprint von Henning Bürger (44.) stand er ebenso goldrichtig, wie bei den Distanzschüssen von Enrico Neitzel (74.) und Markus Kreuz (78.).
"Adler hat uns zwei Zähler entführt", brachte es Rene? Müller auf den Punkt. Lob hatten sich die Thüringer auch deshalb verdient, weil sie sich vom fragwürdigen Strafstoß zum Ausgleichstor keineswegs verunsichern ließen und in der Folgezeit mit Wut im Bauch doch noch das Blatt wenden wollten. Das sahen auch die Zuschauer im Steigerwaldstadion und belohnten jeden Angriff ihrer Mannschaft mit Beifall.




 

Markus Kreuz mit dem ersten Torschuß verfehlte aber knapp.

Doch auch sie erlebten den entscheidenden zweiten Treffer nicht mehr. Neuzugang Pavel David, der gestern für sehr viel Schwung sorgte und und wie schon beim jüngsten 2:0 in Saarbrücken mit seiner guten Schusstechnik auffiel, verzog aus 18 Metern ganz knapp (71.). Und auch Torsten Traub beförderte den Ball mit seinem Kopfstoß nach der dritten Erfurter Ecke nicht über die Linie, denn dort klärte Oberhausens Mantero (72.). So hatten die Tüchtigen gestern Nachmittag leider kein Glück. Doch trotz des 1:1 verabschiedete sich keiner mit Unmut aus dem Stadion.
15.08.2004 Von Thomas Czekalla




 

Alexander Schnetzler gegen David Montero.

Trainerstimmen

Müller (Erfurt): "Unter dem Strich hatten wir mehr Torchancen. Torwart Adler war sensationell gut. Zu Hause hätten wir uns nicht auskontern lassen dürfen. Kein Kommentar zum Foulstrafstoß. Ich ziehe den Hut vor meiner Mannschaft, bei dieser Wärme bis zum Schluss so gefightet zu haben. Vier Punkte zum Start, der uns in die neue Saison gelungen ist."

Andersen (Oberhausen): "Wir waren als Auswärtsmannschaft spielbestimmend. Wir hatten allerdings in der ersten Halbzeit Probleme, mit unseren Angriffen die Erfurter Hintermannschaft auszuspielen. Bis zum Gegentor hatten die Rot-Weißen keine Chancen. Dann dieser dumme Einwurf, den Glöden per Kopf verlängerte. Die Erfurter Mannschaft hat mit viel Kraft gespielt, dennoch hatten wir in der Schlussphase noch eine Riesenchance durch Rietpietsch. Auswärts ist dieser Punktgewinn für uns ein Erfolg."




 

Trotz Sonnenschei wurde das Schiedsrichterkollektiv unter Regenschirmen vom Platz geleitet.

Statistik

Tore: 1:0 Hebestreit (30.), 1:1 Aliaj (60./Elfmeter)

FC Rot-Weiß Erfurt: Twardzik - Fall, Richter, Traub, Bürger - Zedi (52. Barletta), Glöden (90. van Buskirk) - Schnetzler (67. Neitzel), David, Kreuz - Hebestreit

Rot-Weiß Oberhausen: Adler - Remacle, Cichon, Tieku, Aliaj - Keidel, Montero, Chiquinho (84. Izepon) - Quedraogo (70. Leandro), Rietpietsch, Keita (55. Tokody)

Schiedsrichter: Wack, Dr.

Zuschauer: 16.287



Ronny Hebestreit

Als er die Kabine verließ, wirkte er fast taufrisch. Die feuchten Haare lagen akkurat. Die dunklen Augen strahlten. Nur die geröteten Wangen verrieten die Anstrengung der vorangegangenen 90 Minuten - seinen ersten Zweitliga-Minuten in seinem Steigerwaldstadion.




 

Ronny Hebestreit jubelt nach dem Führungstor für die Gastgeber.

Spricht Ronny Hebestreit vom FC Rot-Weiß, redet er stets von "meinem Verein". Verständlich: In Erfurt aufgewachsen spielte er schon im Nachwuchsbereich beim Club, fiel dort mit seiner Kopfballstärke auf und schaffte nach sporadischen Einsätzen im November 1994 den Durchbruch in der ersten Mannschaft. Beim 2:0-Sieg über Stendal durfte er von Beginn an ran und gehörte seitdem - abgesehen von seinem zweijährigen Abstecher zu Bayern Münchens Amateuren - zum festen Inventar der Rot-Weißen.
Die Fans lieben ihn. Wegen seiner Verbundenheit zum Erfurter Klub - und natürlich wegen seiner Tore. Wenn der Mann mit der Nummer 11 übers Stadionmikrofon angekündigt wird, folgt dem Namen stets ein lang gezogenes "Fuuußbaaallgooott".
Jedes Mal überkommt Ronny Hebestreit dann ein Gänsehaut-Gefühl. Doch gestern war es bedeutend stärker als sonst. Als er in der 30. Minute seine Mannschaft in Führung gebracht hatte und von den Rängen sein "Kosename" schallte, spürte er: "Ich bin jetzt in der Bundesliga angekommen." Was der 29-Jährige zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wusste: Sein erster Zweitliga-Treffer war gleichzeitig sein 100. Pflichtspiel-Tor für den FC Rot-Weiß. "Das macht das Tor umso schöner", freute sich Hebestreit und verwies auf das seltene Glücksgefühl, mit links getroffen zu haben. Wann das zuletzt der Fall gewesen ist, daran konnte er sich nicht mehr erinnern und gab zu: "Von den hundert Treffern waren es vielleicht fünf oder sechs mit links."
Das gestrige 1:0 entstand indes nicht zufällig. Schon in der vergangenen Saison hatten die Erfurter nach Rudolf Zedis weiten Einwürfen und Oliver Glödens Kopfballverlängerungen getroffen. Wo im Vorjahr meist René Müller vollendete, bewies diesmal Hebestreit "ein Näschen", was auch sein Trainer schätzt.
Unter René Müller wurde der einstige Mittelstürmer zum zentralen Mittelfeldspieler umfunktioniert. Eine Rolle, in die er sich hineinfuchste und mit der er sich nach und nach angefreundet hat. Sein Zweitliga-Einstand in Saarbrücken glückte auch auf dieser Position. Doch gestern nun kehrte der Publikumsliebling zu den Wurzeln zurück. Da Najed Braham wegen einer Bänderdehnung im Sprunggelenk ebenso ausfiel wie George Koumantarakis, der sich im Abschlusstraining am Samstag am Knie verletzte, rückte Hebestreit wieder in die Spitze. Und dort gefiel er sowohl als geschickter Vorbereiter als auch als Vollstrecker.
"Ganz vorn profitiert er natürlich auch von den drei Leuten dahinter, die fußballerisch alles mitbringen und ihn damit mehr in Szene setzen", zeigte sich Trainer Müller mit dem gestrigen Zusammenspiel seiner Offensivabteilung zufrieden. Dabei hatte er Hebestreit in der Saison-Vorbereitung sogar im defensiven Mittelfeld, als "Abräumer" vor der Vierer-Abwehrkette, ausprobiert. Eine Variante, "die wir aber erst einmal wieder verworfen haben", erklärte der Coach später.
Verständlich. In Ronny Hebestreits Adern fließt eben Stürmerblut. Kein anderer Rot-Weißer traf nach der Wende häufiger. 100 Tore sind eine Marke, an der sich viele die Zähne ausbeißen werden. Dass er einmal so oft jubeln kann, hätte der gebürtige Gothaer wahrlich nicht gedacht, als er beim letzten Erfurter Zweitliga-Heimspiel den Linke, Heun, Sänger, Romstedt und Co. zujubelte und stolz darauf war, ihnen als Ballholer das Leder zuwerfen zu können. "Als A-Jugendliche durften wir am Spielfeldrand sein", erinnerte er sich an die bislang einzige Saison seiner Rot-Weißen im Fußball-Unterhaus 1991/92.
Wie sich die Zeiten ändern.
Damals, an jenem 10. Mai 1992 und der 1:2-Schlappe gegen den VfB Leipzig, schlich der 17-Jährige traurig vom Platz. Gestern war er glücklich und schrieb den wartenden Fans gern Autogramme. Noch größer wäre die Freude allerdings gewesen, wenn die drei Punkte in Erfurt geblieben wären. "Die Zuschauer hätten es sich verdient gehabt", zeigte sich Hebestreit beeindruckt von der "tollen Kulisse" nach den vielen tristen Jahren in der Regionalliga. "Das beflügelt ungemein."
Und auch die spielerische Steigerung gegenüber dem Start im Saarland macht ihn zuversichtlich: "Vier Punkte aus zwei Spielen sind unterm Strich okay. Wer hätte uns das denn vor der Saison zugetraut?", wertete er den Auftakt als erfolgreich, ohne jedoch selbstkritisch hinzuzufügen: "Wir hatten genügend Chancen für das Siegtor - auch ich."
Und deshalb will der Vollblutstürmer weiter an sich arbeiten. Die erste Saison in der zweiten Liga sei ein Lehrjahr, jede Partie "ein echtes Highlight". Wie das DFB-Pokalspiel am kommenden Samstag (15 Uhr) gegen Frankfurt. Neben einer ähnlich tollen Atmosphäre wünscht sich Ronny Hebestreit, "dass wir endlich mal weiterkommen". Mit Toren möchte er seinen Beitrag leisten.
Egal, von welcher Position aus.
15.08.2004 Von Marco ALLES



Interview - David Fall

Sie haben Ihr Lachen behalten. Wie sieht es in Ihnen aus?
Naja. Es ist schon bitter, wegen eines solchen Elfmeters nicht gewonnen zu haben. Ich hätte die sechs Punkte zum Start gern gehabt. Aber so ist Fußball.

Hat Schiedsrichter Wack der Mannschaft den Sieg geklaut?
Er hat gepfiffen. Da kann man nichts machen. Für mich war es aber kein Elfer. Ich laufe in den Ball hinein und will ihn nach außen mitnehmen. Plötzlich pralle ich mit Chiquinho zusammen - und dann höre ich einen Pfiff.

War dennoch nicht mehr drin?
Doch. Die Chancen waren da. Und wir haben auch recht guten Fußball geboten, nachdem wir in Saarbrücken noch sehr nervös waren. Aber wir können mit den vier Punkten aus den ersten beiden Spielen leben - auch wenn ich nun zwei verloren habe.

Doch Ihre Erfahrungen in der zweiten Liga sahen anders aus.
Ja, stimmt. Mit Waldhof Mannheim konnte ich in zehn Spielen vier Punkte holen. Die habe ich jetzt schon erreicht. Und ich glaube, es wird nicht schwer, in Erfurt einen neuen persönlichen Rekord aufzustellen.

Die Fans feierten trotz des bitteren Unentschiedens nach dem Abpfiff. Tröstet das etwas?
Natürlich tut das gut. Die Zuschauer machen dort weiter, wo sie in der letzten Saison aufgehört haben. Diese Unterstützung ist traumhaft. Und ich hoffe gegen Frankfurt wieder auf ein volles Haus - und einen Sieg.




 

David Fall

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